Gemeinschaft von Individualisten

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(vorgelesener Text)

Wir sind Individualisten. Das ist nicht nur ein Merkmal, sondern auch eine Art Behinderung. Fast ist Individualismus gleichzusetzen mit Gemeinschaftsunfähigkeit. (Fast.) Mir ist in den letzten Jahren jedenfalls klar geworden, dass ich ein Individualist bin, umgeben von Individualisten. Und das ist nicht nur gut. Wie soll da Gemeinschaft möglich sein? Eine Gemeinschaft von Individualisten? Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Aber diese Erkenntnis ist einfach eine Tatsache. Wir sind nun mal Individualisten: Du brauchst Deinen Raum, Deine Welt, genauso wie auch ich meinen Raum brauche. Du brauchst nicht ständig jemanden um Dich rum. (Mit Bildern aus dem Garten und aus der Natur hat Hölderlin dieses "Selbstsein in Gemeinschaft" in seinem Gedicht "Die Eichbäume" wunderschön beschrieben.)

Aufm Stückle ist diese für Individualisten notwendige Distanz zwar ein bisschen schwierig zu leben. Aber dieses Miteinander der Vielfalt ist für uns nun mal lebensnotwendig, denn nur so können wir atmen: Dein Rhythmus ist nicht mein Rhythmus. Du hast andere Ansprüche als ich. Andere Schwerpunkte, andere Fähigkeiten. Du bist Du. Und Du willst auch Du sein dürfen.

Lass uns einen Schritt weitergehen: Wenn wir es schaffen, unsere individualistische Lebensweise in ein gemeinschaftliches Miteinander zu integrieren, öffnen wir damit für uns unweigerlich eine Tür in eine neue Zeit. Dann haben wir wirklich etwas aus unserem "individualistischen Umweg" gewonnen.

Mag sein, dass Du am Anfang schaust, wie es aufm Stückle gewachsen ist, dass Du Dich einklinkst und einfach nur mal erst mitmachst.

Und doch erwächst durch die Entschiedenheit unseres Miteinanders und vor allem durch unseren Einsatz und die gemeinsame Kreativität und Arbeit immer mehr Ebenbürtigkeit. Dann gehen wir einen gemeinsamen Weg - Du auf Deine Art, ich auf meine. Und wer für etwas Hilfe braucht, schreit halt.

Unser Miteinander ist ein komplexes Geflecht, dessen Gleichgewicht aus Geben und Nehmen besteht, aus Kommunikation und Energie, aus Arbeit und Ernte. Nicht jeder ist für solch einen Weg und für solch ein ziemlich minimalistisches Miteinander bereit. Aber lass es uns doch einfach probieren!

Natürlich haben wir alle einen Blick auf das Ganze und je mehr Du drin bist in allem, was "Stückle" ist, wirst Du vollmächtig Teil des Ganzen. Auf immer mehr steht sozusagen auch Dein Name drauf, wo jetzt noch überall mein Name draufsteht. Du hast Deine Fähigkeiten, die blühen wollen, Kompetenzen, die nicht rosten sollen. So entwickelt sich von allen anerkannt auf der Grundlage Deiner Kompetenzen Dein Spezialgebiet, so wie auch ich meine Fähigkeiten und mein Spezialgebiet habe - ohne dass wir den Blick fürs Ganze verlieren.

Bestimmt werden wir streiten und diskutieren. Auch das ist Zeichen von Kompetenz und Vertrauen, denn nur wenn wir uns gegenseitig ernstnehmen, setzen wir uns zusammen, um uns miteinander auseinander zu setzen.

Der Preis für unser Miteinander, für unseren recht besonderen Weg als Gemeinschaft von Selbstversorgern ist mit Sicherheit der Einsatz, den es braucht. Ich sag immer: "Selbstversorgung frisst Dein bisheriges Leben auf." So arg überspitzt ist das gar nicht.

Aber der Lohn für den Einsatz ist ein wunderschöner: Ein Leben mit Tieren und Pflanzen, mit natürlichen Rhythmen, mit Kreativität und Selbstwirksamkeit. Noch nie haben die Jahreszeiten mein Leben so sehr geprägt wie durch meine Arbeit als Selbstversorger. Der Tod ist viel unmittelbarer Teil meines Lebens geworden. Er ist allgegenwärtig, genauso wie das Blühen von Pflanzen im Gewächshaus und das alljährliche Heranwachsen von Schafen und kleinen Küken.

Ich liebe die Autonomie und die Autarkie, die unter meinen Händen herangewachsen ist. Und mit einer wachsenden Sehnsucht wünsche ich mir, dies alles in einer Gemeinschaft von Selbstversorgern teilen zu dürfen.

 

 


 

 

Was führt zu Bewusstsein?

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(vorgelesener Text)

Zunächst wohl das Glauben. Ich kann MICH nicht sehen, denn, ich habe MICH verloren und das, was ich gewöhnlich als "ich" bezeichne, ist gar nicht ICH, sondern eine Illusion. Ich sehe MICH also nicht. Also muss ich glauben, dass ICH existiere. Diese Erkenntnis (oder dieser Glaube) ist ein erster wichtiger Schritt.

Ich vermute, Religion führt viele Schritte weiter. Rituale, Gesetze, Mantras, Bibellesen, Räuchern, Gottesdienste, Meditation, Beichte, Gebete. All das nimmt mich an der Hand auf der Suche nach einem Gott, der zunächst ein Nicht-Ich ist, der in meinem Äußeren ist, der nicht eins mit mir ist. Religion ist wie Behaviorismus. Das Äußere, das Praktizieren formt mein Inneres, macht es bereit für die anstehenden Schritte. Religion ist hervorragend geeignet für den Kampf um jene Gebiete, die Freud mit "Es" umschreibt. In diesem Kampf kann ich mein äußeres Leben formen, indem ich meine Gewohnheiten forme.

Religion führt Dich stets zu einer Entscheidung für die Religion. Schließlich aber kommt die Entscheidung zum Kampf in Deinem Inneren, einem Kampf, bei dem Religion Dir nur noch bedingt helfen kann. Hier geht es nicht mehr primär um das "Es", sondern um das freudsche "Über-Ich". Bereit gemacht für diese Entscheidung hat Dich die Religion schon. Die Entscheidung zum Kampf in Deinem Inneren jedoch fällst nur Du selbst; so als hätte die Religion Dich zur Tür geführt, durch die Du aber alleine hindurchgehen musst. Und das Innere führt Dich in sehr verzweigte und zunächst verwirrende Tiefen Deines Geistes. Es ist der innere Kampf gegen die inneren "Dämonen". Du machst Dich auf Deinen Weg, aber Menschen (Projektionen Deines Geistes) kapern immer wieder Deinen Geist, mächtige Menschen, liebe Menschen Deines Lebens, die einen anderen Weg zu gehen scheinen. Ihre wichtigste Waffe ist der Herdentrieb. In jeder Faser Deines Geistes wird er wirksam. Das musst Du wissen und Du musst Dich dazu entscheiden Dich immer wieder neu für DEINEN Weg zu entscheiden, egal wie oft Du fällst. Du musst Dich entscheiden, immer wieder neu aufzustehen, um DEINEN Weg zu gehen.

 

 


 

 

Berufung als Bindung

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(vorgelesener Text)

Punkte auf einer Linie

Ich bin davon überzeugt, dass es schicksalhafte Punkte im Leben gibt, um die man nicht herumkommt. Ich nenne diese vorherbestimmten Punkte mal "karmische Lernpunkte". Zunächst erscheinen diese Lernpunkte deshalb in meinem Leben, weil meine Seele sich dafür entschieden hat, mich zu diesen Punkten zu führen. An diesen Punkten wachse ich innerlich.
Darüber hinaus stellen diese Punkte Werkzeuge dar, mit deren Hilfe ich meine Berufung finden kann. Wenn ich meine Lernpunkte auch nicht verfehlen kann, so ist dies hingegen mit meiner Berufung sehr wohl möglich.
Unsere Gesellschaft oder unsere Kultur tendiert dazu, uns nicht zu lehren, unseren eigenen, eigentümlichen oder eigentlichen Lebensweg zu finden. Stattdessen legt sie uns möglichst "gerade" Lebenswege nahe. Wenn wir diesen geraden "künstlichen" Lebens­­karrieren folgen, können wir davon ausgehen, dass wir uns von unseren karmischen Lernpunkten früher oder später entfernen. Diese zunehmende Distanz zu unseren karmischen Lernpunkten erzeugt eine unweigerliche und anwachsende Spannung in unserem Leben, was schließlich zu korrigierenden Lebens­krisen führt.
Wenn ich es allerdings wage, die gesellschaftlichen Konventionen meiner "klugen Ratgeber" beiseite zu lassen, um auf meine innere Stimme zu hören, auf das Seelengeflüster Gottes, auf meinen inneren Weg, dann kann ich leicht meinen wirklich eigenen Weg finden – und meine "karmischen Lernpunkte" liegen dann ganz natürlich und ohne Bruch auf meinem Weg. Deshalb nenne ich diesen wirklich eigenen Weg meinen natürlichen Lebensweg.

Wenn wir Ismen folgen (Kommunismus, Katholizismus, Buddhismus, Atheismus, Wokismus, Feminismus...), so hilft uns das eine Zeitlang; wir lernen auf diesen Pfaden, denn oft wählen wir sie, weil sie mit unserem Wesen eine Seelenverwandtschaft aufweisen. Ebenso ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir auf diesen Pfaden sogar unseren karmischen Lernpunkten begegnen. Und doch sind diese Ismen, diese schon vorhandenen, mehr oder weniger vorgegebenen Pfade, nicht zu verwechseln mit unserem natürlichen Lebensweg. Hat sich ein Ismus in unserem Leben festgesetzt und folgen wir deshalb dessen Pfaden allzu dogmatisch oder fundamentalistisch, so entfernen wir uns auch in diesem Fall unweigerlich von unserem natürlichen Lebensweg und damit auch von unseren karmischen Lernpunkten, und es braucht wieder eine (in diesem Fall: weltanschauliche) Krise, durch die sich die Seele die Freiheit erkämpft, uns zu unseren karmischen Lernpunkten zu führen.

Selbst wenn wir uns auf den künstlichen Karrierepfaden der Gesellschaft bewegen oder auch auf dogmatischen Ismus-Pfaden, ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass uns bisweilen unsere Berufung begegnet. Wenn wir aber trotz einer solch überraschenden Begegnung mit unserer Berufung weiterhin starr an unserem derzeitigen Ismus festhalten oder an den Forderungen unserer "geraden" Karriere, dann haben wir zwar eine Zeit sehr existenziellen Herzklopfens erlebt, sozusagen, einen mehr oder weniger kurzen Flirt mit unserer eigentlichen Berufung, jedoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir uns wieder von ihr entfernen, sobald wir dem Ismus oder der Karriere den Vorrang geben, um weiterhin "gerade" Wege einzuschlagen – gerade so als wäre unsere Berufung eine Hure, der treu zu sein uns nicht geboten scheint.

Werkzeuge

Was aber benötigen wir, um überhaupt ein Gespür für unseren "natürlichen Lebensweg" und für unsere Berufung zu bekommen? Und wie können wir die Muskeln stärken, die es braucht, um nicht wieder den "geraden" Pfaden zu folgen, sondern unseren eigenen und damit natürlichen?

Es ist eine tiefe und sehr natürliche Innerlichkeit, zu der wir gelangen und die wir uns leider mühsam erarbeiten müssen, obwohl es sich letztendlich nur um ein kleines, entscheidendes und alles erhellendes – "Klick!" – in unserem Inneren handelt.

Da wir dummerweise zutiefst gehirngewaschene gesellschaftliche Schafe sind, ist unser erstes Werkzeug das Misstrauen uns selbst gegenüber. Wir stehen vor der Aufgabe, uns ständig selbst mit großer Präzision zu widerlegen. Diese Arbeit ist sehr mühsam, ein ständiger innerer Disput, der trotz großer Disziplin und Ausdauer auch nach Jahren kein Ende zu nehmen scheint, der aber in der Tat zunehmend ruhiger wird, je stärker ich am inneren Menschen werde. Dieser Prozess schmückt sich mit zunehmendem Erfolg, wenn ich Meinungen und Anschauungen nicht durch andere Meinungen und Anschauungen ersetze, sondern durch bloßes Sein. So wachse ich langsam hinein in die innere Welt meiner Seele, lege mit zunehmendem Mut immer mehr davon ab, was vorgaukelt, mein wahres Selbst zu sein.

Meine Werkzeuge in dieser inneren Welt sind vor allem anfänglich bloße Rebellion und eine Sehnsucht nach Autonomie und Selbstbestimmtheit, eine Verachtung von gesellschaftlicher Etikette und Enge. Auch wenn diese Art der Auflehnung eine notwendige Methode ist, darf das Wachstum am inneren Menschen natürlich nicht bei solch reinigendem Trotz stehen bleiben.
Ich muss wohl in einem zweiten Schritt den Rückzug suchen, das Alleinsein und die äußere Ruhe, um die innere zu finden. Religiosität kann helfen, bietet einen äußeren und ordnenden Rahmen, ein gesellschaftlich meist unterstütztes Gegengewicht zu meinem Bisherigen. Aber auch daraus wachse ich heraus, finde einen Weg meditativer Autonomie, die mir aus beständiger Introspektion erwächst.

Größte Freiheit hat, wer nicht einer solchen Berufung folgt, die in Projekthaftigkeit mit langfristigen äußeren Zielsetzungen verbunden ist. Das Leben eines solchen Menschen gestaltet sich in dieser Welt als eine scheinbar chaotische Irrfahrt ohne jegliche vernunfthafte Struktur. Und doch kann ein solcher – wohl eher selten anzutreffender – Mensch auf jedwede Not liebend, unmittelbar und frei antworten. (Diese hohe, ja sogar höchste Freiheit ist nicht zu verwechseln mit der gedankenlosen Wankelmütigkeit oder mit der wunderbaren Sprunghaftigkeit, die oftmals vor allem die Jugendphase des menschlichen Lebens begleitet.)

Auf dem Weg

Ich persönlich entdecke, dass ich diese Art von Freiheit, die Freiheit vollkommener Spontaneität und Ungebundenheit, allenfalls ansatzweise besitze. Ich habe meine Berufung in einem "Projekt" gefunden: der Selbstversorgung. Aus diesem Grund antworte ich auch nicht auf jeden Ruf, auf jede Not, denn dies könnte mich von dem Weg, den ich mir erwählt habe und den ich mit großer Loyalität und Hingabe verfolge, abbringen. Allerdings muss ich einräumen, dass ich sehr wohl die Herausforderung und die Gefahr erkenne, die mit einer solchen Bindung verbunden ist: Die Loyalität zu meinem Selbstversorgerprojekt hindert mich dort daran, liebend zu antworten, wo ein wirklich vollkommen freier Mensch sich liebend in den Dienst nehmen lässt, um eine bestehende Not aus freien Stücken zu lindern.

 

 


 

 

Einladung zur Veränderung

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(vorgelesener Text)

Die Welt geschieht mir
und verändert mich.
Ich agiere
und verändere die Welt.

 

Die Welt verändert sich. Zurzeit extrem schnell. Nicht, dass ich mich auf eine Weise verändere wie die Welt sich verändert. Aber die Veränderung der Welt betrifft mich, hat Auswirkungen auf mein Leben. Ich muss und will mich darauf einstellen. Ich denke nicht, dass ich es verhindern kann, dass die Welt sich verändert. Dennoch will ich mir überlegen, in was für einer Welt ich leben will. Und diese Welt erschaffe ich zunehmend, langsam, Schritt für Schritt in meinem Leben. Zu dieser "Welt meines Lebens", gehört nicht die Isolierung des Einzelnen, die Atomisierung der Gesellschaft, sondern Gemeinschaft.

Ich will nicht auf ein globales Versorgungssystem angewiesen sein. Aber natürlich bin ich angewiesen auf ein globales Versorgungssystem. Ich bin angewiesen auf den chinesischen Fabrikarbeiter, der mir eine Schraube in den japanischen Motor meines Balkenmähers reingedreht hat, auf die junge Frau in Kamerun, die in einem Bergwerk nach Material für meinen Laptop geschürft hat. Ich bin angewiesen auf dieses System, das uns alle in der Hand hat und ernährt und singt: "I've got the whole world in my hand! I've got the tiny little baby in my hand! I've got everybody in my hands!"

Aber zeitgleich merke ich, dass ich angewiesen sein will auf Euch. Dieses "kleine" Angewiesensein, das so einfach, schlicht, so überschaubar ist, ist uns im Laufe der letzten Jahrzehnte genommen worden. Individualismus, Neoliberalismus, Städtebildung und Entfremdung sind drei Schlagworte, es gibt noch mehr. Wir sind auf das System angewiesen, aber nicht mehr aufeinander. Ich aber will in der Welt meines Lebens zunehmend angewiesen sein auf Euch.

 

Deshalb freue ich mich, wenn ich einladen darf. Ich will einladen, auf dass wir miteinander reden, arbeiten, essen, tauschen – und auf diese Weise unser Leben teilen.

Morgen fang ich an mit den Gemüsebeeten. Die sind ganz verwahrlost. Herzlich willkommen. Die Ernte sei unser.

Nicht nur ich plane, sondern wir planen gemeinsam.
Nicht nur ich entscheide, sondern wir entscheiden gemeinsam.
Nicht nur ich arbeite, sondern wir arbeiten gemeinsam.
Nicht nur ich ernte, sondern wir ernten gemeinsam.